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STÄDTE & VILLEN IM VENETO

Kunstwerke von Antonio Canova und Paolo Veronese entdecken

 





Die Route über die österreichischen Alpen nach Bozen und weiter ins Veneto bietet sich an für eine interessante Kurzreise, um neue Landschaftseindrücke, kulturelle Sehenswürdigkeiten und kulinarische Spezialitäten zu genießen. Das Gebiet der Treviser Voralpen, liebevoll als Prosecco-Berge bezeichnet, wird zumeist wegen der Herstellung eines ausgezeichneten Schaumweins aus Valdobbiadine geschätzt und ist weniger bekannt für seine bedeutenden Kunststätten. Doch die charmanten Städtchen Possagno und Asolo, erste Stationen auf einer Kunsttour, bieten überraschende Highlights. Abseits touristischer Reisewege sind herausragende Werke der berühmten Künstler Antonio Canova und Paolo Veronese in Renaissance- Villen und Spezialmuseen zu entdecken


Text: Dr. Dagmar Gold














Ganz unerwartet, inmitten der norditalienschen Provinz, führt die Kunstreise in den beschaulichen Ort Possagno, südlich des Monte Palon gelegen. Er ist vor allem bekannt als Geburtsstätte des Meisters der klassizistischen Bildhauerei, Antonio Canova (1858-1822). Nach dem Vorbild des römischen


Pantheons und der Akropolis von Athen hat der selbstbewusste


Künstler auf einer Anhöhe über der Stadt den riesigen Tempio Canoviano errichten lassen. Hier befindet sich Canovas Grabstätte und eines seiner letzten Werke, die Skulpturengruppe La Pietà. Vom Tempio führt einer Sichtachse entlang auf abfallender Straße zu dem Geburtshaus von Canova, der das Gebäude umbauen und erweitern ließ. Atelier und Wohnräume der Casa Canova sind original ausgestattet und zeigen ein umfangreiches

Oeuvre an Zeichnungen, Bozetti und Ölgemälden. Der vordere Gebäudekomplex mit angrenzendem lauschigem Garten, Museo Canoviano, überrascht mit einer großartigen Ausstellung von zahlreichen Gipsmodellen, die als Vorlage für die späteren Marmor-skulpturen dienten. Mit Nägeln an der Modelloberfläche wurden Orientierungspunkte geschaffen, anhand dessen der Bildhauer den Marmorstein mit hoher Kunstfertigkeit bearbeitete. Auch das berühmte Standbildnis „Drei Grazien“ ist als Modell zu bewundern. Die Marmorgruppe, schönes Beispiel der ihm eigenen lyrischen Formensprache ist Bestandteil der Vatikanischen Museen in Rom. In Antonio Canova glaubten seine Zeitgenossen, den Meister der griechischen Bildhauerei wiedergeboren zu finden. Die klassizistische Skulptur, die mit ihm eigentlich begründet wurde, ist eng mit der Kunstepoche gleicher Bezeichnung verbunden. Überall in Europa löste Canova anhaltende Begeisterung aus, besonders in Russland. In der Sankt Petersburger Eremitage ist die umfangreichste Canova-Sammlung außerhalb Italiens zu sehen. Canovas bewegte, lebensnahe Standbilder, die sich von der antiken Kunst in ihrer fließenden Form und haptischen Geschmeidigkeit unterscheiden, sprechen unmittelbar an. Der Betrachter kann verstehen, welche Bedeutung das Klassische damals

besessen und welche Wirkung es ausgelöst hatte. Die Grabstätte des Künstlers im Tempio Canova hinterlässt bereits einen großartigen Eindruck, doch unübertroffen ist das von Canova entworfenen und von Schülern realisierten

monumentalen Grabmal (Tomba) in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari in Venedig. Das gigantische pyramidiale Mausoleum aus Marmor mit einem Trauerzug davor aus bewegten, lebensechten Figuren und auf einer Treppe ausgestreckten, trauernden Engeln reicht in der Höhe über die Kirchenfenster hinaus.




Die künstlerische Leistung und technische Kunstfertigkeit des Antonio Canova versteht man erst vollends, wenn man die Steinbrüche in Carrara gesehen hat, wo Canova den besten Marmor aussuchte.


IM MARMORDOM VON CARRARA

Vom Meer mit dem weltgrößten Umschlaghafen für Marmor bis in die Berge mit den berühmten Steinbrüchen erstreckt sich kilometerlang die Stadt Carrara, Namensgeber und Oberbegriff für über 50 unterschiedliche Handels- und Qualitätsbezeichnungen von Marmor. Die Anfahrt über die Via Miseglia zu den weltberühmten Steinbrüchen von Fantiscritti, einer der drei bedeutsamsten Abbaustätten in den Apuanischen Alpen, führt auf schmalen Straßen und durch enge Tunnel hinauf zu sicht auf die Landschaft und die fernen Steinbrüche ist beeindruckend, noch mehr der steile Abgrund, an dem Lastwagen mit Marmortransporten in abenteuerlicher Geschwindigkeit die schmale, kurvige Straße zur Abbaustelle Fantiscritti fahren.

Ein kleiner spätrömischer Tempel, eine Ädikula mit Darstelllungen des Herkules, Jupiter und Bacchus wurde vor einiger Zeit in diesem Steinbruch gefunden. Das antike Bauwerk, das sich heute in der Kunstakademie von Carrara befindet, trägt die Inschrift Fantiscritti, welche der Bruchstelle ihren Namen gab. Ein besonderes Erlebnis ist die geführte Besichtigungstour in die unterirdischen Abbruchstollen der Galleria Ravaccione von Fantiscritti. Hier wird seit Jahrhunderten der besonders weiße und reine Marmor „Ordinario“ und auch der außerordentliche, der „Straordinario“, gebrochen. Unterirdisch abgebauter Marmor gilt als die bessere Qualität im Vergleich zum oberirdisch abgebauten Stein, der den Witterungsbedingungen ausgesetzt ist. In der Kühle des Berginneren öffnen sich hintereinander zahlreiche Gewölbe, schließlich gelangt die Reisegruppe in einen hohen Raum mit Seitenarmen, dem Marmordom. Während die Besucher andächtig staunen, erzählt eine sachkundige Führerin über die Entstehungs- und Abbaugeschichte des Marmors. 30 Millionen Jahre ist es her, dass durch die Verschiebung der Kontinentalplatten von Europa und Afrika die apuanischen Alpen aufgewölbt wurden. Unzählige abgestorbene Meeresorganismen lieferten Calcit-Ablagerungen, die sich unter hohem Druck und hoher Temperatur in Marmor verwandelten. In den Untertagestollen wird heute noch der Stein gebrochen. Mit einem Diamantseil schneiden Arbeiter fünf Meter große Blöcke aus dem Marmorberg. Mit Blick durch einen Stollenschacht erkennt man den Abschnitt des Marmorbruchs, wo Michelangelo den besten „fior di pesco“ für seine Skulpturen ausgesucht und damit die Carrara- Brüche berühmt gemacht hatte. Auch Antonio Canova und Giambologna hatten in Fantiscritti Marmorblöcke für ihre Skulpturen besorgt. Im Stein hat man sogar Einritzungen ihrer Namen gefunden.


Eine der besten Bruchstellen gehört heute Stefano Grassi, Mitglied der Familie Grassi, und seit über 40 Jahren Eigentümer. Im Inneren des großen stimmungsvollen Raums des Steinbruch, der heute noch in Betrieb ist, aber nur für gezielte Abbauarbeiten und für wichtige Arbeiten, hat Stefano Grassi einen Raum zwischen den Marmorwänden konzipiert, in dem die Idee eines ungewöhnlichen Weinkellers verwirklicht wurde. Im Marmorkeller ruht Schaumwein aus apuanischen Trauben, vinifiziert nach der méthode champenoise und auf Rotationsregalen gelagert. Ein paar Hundert Euro kostet eine Flasche des „Straordinario“, benannt nach dem besten reinweißen Marmor. Stefano Grassi über sein Konzept: "In dieser Ecke haben wir unseren Keller gebaut, der Flaschen der besten lokalen Produktion, aber auch national und international enthält, die perfekt erhalten sind. Im Inneren des Steinbruchs herrscht das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von etwa 14 oder 16 Grad Celsius, und auch die Luftfeuchtigkeit liegt bei etwa 80 %. Optimale Bedingungen für den Wein".


Gegenüber des unterirdischen Marmorbruchs Galleria Ravaccione kann das interessante Cava Museo besucht werden. Angetrieben von der Leidenschaft für Marmor hat der Bildhauer Walter Danesi über 40 Jahre intensiv recherchiert und Exponante zusammengetragen, um dieses kleine Freiluftmuseum zu errichten. Auf anschauliche Weise wird die Geschichte von Abbau, Transport und Verarbeitung von Marmor anhand historischer Fotos und Dokumente, traditioneller Werkzeuge und Exponaten dargestellt. Erschütternd und aufschlussreich ist die Dokumentation der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter bis hinein in die 1960er Jahre, die schon als Kinder beim Marmorabbau schufteten und selten ein höheres Lebensalter erreichten. Längst haben technologische Innovationen dem ein Ende gesetzt. Moderne Verarbeitungsmethoden sind in den umliegenden Werkstätten zu beobachten, wo mithilfe von Lasersteuerung oder modernen Schleifgeräten Skulpturen aus Marmorblöcken geschnitten und anschließend nachbearbeitet werden. Stilvolle Marmorgegenstände und Skulpturen entstehen hier und in der gesamten Carrara-Region in hochwertiger Einzelanfertigung. Sie verbreiten das unnachahmliche Flair von Luxus und exklusiver italienischer Handwerkskunst.

VENETO UND SEINE VILLEN

Zurück führt die Kunstreise in das Veneto, zunächst nach Maser in die von Weinbergen umgebene Villa Barbaro, ein architektonisches Meisterwerk von Andrea Palladio (1508-1580) und ein Meilenstein in der Architekturgeschichte. Palladio hat den Typus des ländlichen Herrenhauses mit flankierenden Wirtschaftsgebäuden nach einem kompakten, streng gegliederten Konzept geschaffen. Sein Einfluss reichte über Europa bis nach Nordamerika, wo der palladianische Stil besonders beliebt war. Die Villa Barbaro ist eines der herrlichsten Beispiele venezianischer Kultur des 16. Jahrhunderts und hochbedeutend durch umfangreiche Freskenmalereien von Paolo Cagliari, genannt Veronese (1528-1588) mit Ornamenten, Landschaftsdarstellungen und lebensnahen Figurengruppen, die sich harmonisch in Architekturdarstellungen nach trompe l’oeil-Manier einfügen. Die festliche, heiter gestimmte Atmosphäre seiner Bilder machten den Künstler bei adligen Auftraggebern beliebt. Die klare, oft komplementäre Farbigkeit, das kühle, doch freundliche Licht und die dramatische Bildkomposition unterscheidet ihn von den anderen großen venezianischen Malern Tizian und Tintoretto in Venedig, wo Veronese den größten Teil seines Lebens verbrachte. Ein großer Teil der Meisterwerke des Spätrenaissance- Künstlers Veronese sind deshalb in vielen Kirchen und Museen Venedigs zu bewundern.

Nach dem Vorbild des Villa-Gutshauses, der römischen villa rustica, hat Andrea Palladio mit der Villa Elmo im nahen Städtchen Fanzolo di Vedelago einen neuen Bautypus geschaffen, der fortan mit der Renaissance- Epoche assoziiert wird und Maßstäbe für künftige Architektengenerationen setzte. Die Villa Elmo gilt als eine der vollkommensten Bauwerke dieses Stils. Der symmetrische Aufbau nach mathematisch genauen Proportionen ist der Dimensionen wegen als majestätisch zu bezeichnen, aber die schlichte äußeren Gestaltung kommt der Idee der villa rustica nahe. Die elegante Anspruchslosigkeit des Landsitzes wird kontrastiert durch die reiche Ausmalung der Innenräume mit Schmuckelementen und Motiven. Bezaubernde Putti, Weinlaub und Girlanden, mythologische Figuren und liebliche

Landschaften bestimmen das römisch inspirierte Bildprogramm. Die Beziehung zwischen Architektur und Umgebung sind Teil des architektonischen Konzepts. Die Villa wurde zur wichtigen römischen Postumia-Straße im Süden und der Asolo-Hügellinie im Norden ausgerichtet, mit weitem Blick auf die umgebende Berglandschaft. Das nahe Städtchen Asolo bietet inmitten der hübschen Altstadt ein Kunstmuseum. Dort befindet sich ein Bildnis des Künstlers Franz von Lenbach mit dem Portrait der Schauspielerin Eleonora Duse, die ihre letzten Lebensjahre in Asolo verbrachte.


Eine spannende Tour in das Hügelland der venetischen Voralpen, die Marca Trevigiana, bietet sich auch für Natur- und Sportbegeisterte als Gebiet für Erkundungen an, vielleicht als Radtour entlang der „Route des Radicchio rosso“, der Weinroute des Montello oder am Fuße der Asolo-Hügel, wo außer Kulturstätten auch öno-gastronomische Etappenziele locken.


INFORMATION

VENEDIG (TOMBA DI ANTONIO CANOVA): basilicadeifrari.it

VILLA DI MASER (VILLA BARBARO): villadimaser.it

VILLA EMO: villaemo.tv.it



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